Wie können wir uns dem Haus mit der Adresse Eichborndamm 238 nähern und in der Verquickung von Geschichts-Forschung und Bildender Kunst seine Geschichte transportieren – die Geschichte eines Un-Ortes, die – bislang – dem öffentlichen Blick weitgehend verborgen geblieben ist? Mit welchen Mitteln kann das Geschehen in der ehemaligen Kinderklinik betrachtet, berichtet oder erzählt werden?
Über Leben und Tod der Kinder im ‚Wiesengrund‘ wurde anhand eines Meldebogens per „Plus“ oder „Minus“- Zeichen entschieden. War aus der Sicht der Gutachter keine eindeutige Zuordnung möglich, wurde ein „B“ für Beobachtung vermerkt.
Scheint unser Projekttitel zunächst auf dieses „Verfahren“ hinzuweisen, so zeichnet sich im praxisbezogenen Miteinander von Geschichte und Kunst etwas anderes ab: Eine Erzählung der Geschichte hat entgegen dem beobachtenden Bericht etwas entschieden Subjektives. Die Projekte, die von den Künstler_innen Juliane Heise, Barbara Hindahl, Stephan Kurr, Veronika Witte und Sibylle Zeh angeleitet und begleitet wurden, fanden dafür unterschiedlichste Zugänge. Betrachtet und befragt wurden der Ort selber, die Sprache der nationalsozialistischen Vernichtungsverwaltung, sogenannte perfekte Körperbilder in der Kunst und ihre Dekonstruktion. Dialogorientierte Aufklärung und temporäre Zeichen-Setzungen gegen das Vergessen fanden im Stadtraum statt. Ob in fiktiver Biografie oder objektivierter Berichterstattung per Straßenschild – immer ging es um einen gleichermaßen kritischen wie empathischen Blick auf die Geschichte der „Kinderklinik Wiesengrund“.
Das Projekt entstand auf Einladung des Fachbereichs Kunst und Geschichte Reinickendorf vor dem Hintergrund der Ausstellung Auf freundlichen Zuspruch lächelt das Kind. Die medizinischen Verbrechen in der Städtischen Nervenklinik für Kinder 1941-1945 des Museums Reinickendorf.
Am authentischen Ort wurde die Ausstellung in den damals noch weitgehend leerstehenden Räumen vom 7.6. bis 23.8.2013 und im Anschluss in der Galerie der Jugendkunstschule ATRIUM vom 29.8. bis 22.10.2013 gezeigt. Zum Projekt entstand eine 40-seitige Dokumentation.
Projekte
Zoom auf…
Juliane Heise und das Humboldt-Gymnasium mit Michael Raeder, Installation, Schilder
Ungeheure Sprache
Sibylle Zeh und die Bettina-von-Arnim-Schule mit Michael Pietsch, Installation, Cut-Outs
Temporäre Denkmäler
Barbara Hindahl und die Carl-Bosch-Schule mit Thomas Grüßing, Intervention im Öffentlichen Raum, Video
noBody is perfect
Veronika Witte und die Katholische Schule Salvator mit Emila Muszynska, Installation, Objekte, Ton
Mein verlorener Bruder
Stephan Kurr und die Katholische Schule Salvator mit Mirja Carl, Video
Fotos: (c) B für Beobachtung
Ausstellungsansichten: Astrid Busch
Gefördert aus Mitteln des Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung im Themenjahr Zerstörte Vielfalt.
In Kooperation mit der Jugendkunstschule ATRIUM und dem Museum Reinickendorf.